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Klingender Alltag

Vernissage der Multimedia-Ausstellung
Arno Oehri vom Klanglabor hat die neue Jahresausstellung der Klangschmiede in Alt St. Johann (CH) eingerichtet. Vom 23. Januar 2015 bis 2. Januar 2016

"Die Hunde des Nachbarn machen Lärm, der eigene Hund bellt." sagt der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky und bringt damit auf den Punkt, was wir eigentlich alle immer wieder erfahren: Ob ein Geräusch den Ohren schmeichelt oder als lästiger Lärm empfunden wird, ist eine höchst subjektive Angelegenheit. Die neue Jahresausstellung in der Klangschmiede widmet sich einem Klangkosmos, mit dem jede und jeder tagtäglich ganz eigene und ganz spezielle Erfahrungen macht. Der Liechtensteiner Multimedia Künstler und Klangforscher Arno Oehri hat die Jahresausstellung "Klingender Alltag" eingerichtet.

Stille. „Stille“ ist ein Begriff für einen Zustand, der nur gedacht werden kann. Wahrhaftige Stille ist für den Menschen mit seinem Alltagsbewusstsein nicht erlebbar. Ständig sind wir umgeben von Geräuschen und Klängen - und seien es nur die körpereigenen Klänge des Herzschlags, des Atmens, der pulsierenden Bewegung des Blutes durch unseren Körper. Alles ist in Bewegung. Bewegung erzeugt Schwingung, Schwingung erzeugt Klang. Vieles davon ist hörbar, vieles aber klingt ganz im Verborgenen. Es gibt kein erlebbares Dasein ohne Klang und die meisten Klänge sind Geräusche. Es ist eine geräuschvolle Klangspur, die wir Menschen und die Tiere und auch die Natur durch diese Welt und unsere Leben ziehen.

Die meisten Klänge und Geräusche entstehen ohne musikalische Absicht. Es sind die klingenden Beiprodukte unseres Seins und Handelns. Dieses findet immer in einer Umgebung statt, die ihrerseits zur akustischen Daseinsebene gehört. Stadt, Land, Berg, Meer, draussen, drinnen - überall klingt und tönt es. Die Ausstellung „Klingender Alltag“ spürt diesen Klängen und Geräuschen nach. Jede Alltagsrealität besitzt auch die entsprechende Geräuschkulisse. Was davon als Wohlklang und was als Missklang empfunden wird, ist individuell und wird sehr subjektiv empfunden. Was dem Einen Musik in den Ohren ist, bedeutet für die Andere vielleicht bereits Lärm. Ob das heftige Zwitschern des Vogels Entspannung bringender Naturklang ist oder schlafraubender Krach zur Unzeit, entscheidet der jeweilige Mensch in der jeweiligen Situation.

Unter welchen Bedingungen wird ein Geräusch zur Musik? Kann man laufende Maschinen als Begleitmusik benutzen? Klingt eine Umgebung in Albanien oder in Russland anders als im Toggenburg? Ist die Soundkulisse New Yorks verschieden von derjenigen der Stadt Zürich? Haben wir bereits vergessen, wie die Natur klingt?

Kaum ein Mensch kann sich dem Zauber der klingenden Natur entziehen. Die Seele lechzt zuweilen geradezu danach. Der erste Raum der Ausstellung wendet sich den Naturklängen zu. Der Musiktherapeut Wolfgang Fasser befasst sich seit vielen Jahren ganz intensiv mit dem Klangkosmos Natur. Wir lauschen dem Zirpen der Grille und dem Tosen des Wasserfalls und erfahren ganz nebenbei, was für eine tiefgreifende Wirkung all diese Klänge auf uns als Menschen haben - und wie sehr es sich lohnt, das Lauschen in die Natur zu schulen.

Nach dem Hineinhören in die Natur folgt das Hinaushorchen in andere Welten und andere Zeiten. Der Raum "KlangWelten" entführt uns hinaus in die Geräuschkulissen ferner Städte und ganz besonderer Klangräume. Wer kann erraten, wo das seltsame, auf- und abschwellende Heulen der Sirene Alltag ist? Videos und Tonspuren bereiten ein breites Panorama verschiedenster Klangwelten – und plötzlich beginnt man darüber nachzudenken, welche Klänge und Geräusche das eigene Dasein, das eigene Klanghabitat prägen? Im "Tagebuch der Geräusche" werden Antworten auf diese Frage gesucht und gegeben.

Jeder Klang findet vor dem Hintergrund einer geräuschhaften Stille statt. Setzen wir uns also einmal hin, schliessen die Augen und geben uns dem Abenteuer des aufmerksamen Lauschens hin. Aufmerksamkeit verlangt nach Wachheit, nach Präsenz. In der gespannten Stille erschliesst sich uns der ganze uns umgebende Klangkosmos: Das Gurgeln im Bauch, die Schritte im Treppenhaus, das Rauschen des Baches, ein in der Ferne aufheulender Motor. Was klingt hier und jetzt?

Als das Gegenteil der Stille empfinden wir oft den Lärm der Maschinen. So ist ein Bereich der Ausstellung der üppigen Allgegenwart der Gerätschaften gewidmet, mit denen sich der heutige Mensch das Leben zu vereinfachen versucht. Alles klingt und tönt, alles rattert und dröhnt. Kann aus all dem Lärm Musik entstehen? Lassen Sie sich überraschen. Mit einer spassigen, partizipativen Installation versuchen wir der Lärmbelästigung ein Schnippchen zu schlagen.


Portrait Arno Oehri

Im Januar 2006 gründete der Liechtensteiner Multimediakünstler und Filmemacher Arno Oehri das Trio "Klanglabor", dessen künstlerischer Leiter er seither ist. In einem Labor wird geforscht und experimentiert und genau das ist das Steckenpferd dieser Formation. Ein Instrument ist alles, was irgendwie klingt und sich in einen musikalischen Kontext übertragen lässt. Und jeder Ort, jeder Zeitpunkt, hat seine ganz spezifischen Qualitäten, mit denen es sich künstlerisch arbeiten lässt. Jemand, der im beiläufigen Geräusch musikalische Qualitäten sucht und findet, ist jemand, der dem Alltag mit ganz besonderer Aufmerksamkeit nachlauscht. Angefangen hat Oehri als bildender Künstler in den 80er Jahren. In den 90er Jahren hielten die Medien, vor allem die Videotechnik, Einzug in Oehris künstlerische Auseinandersetzungen und mehr und mehr begeisterte er sich für orts- und situationsspezifische Aspekte des künstlerischen Tuns. Heute ist Arno Oehri Klanglaborant, Regisseur von multimedialen Bühnenproduktionen und Kunstinstallationen, Autor etlicher Dokumentarfilme und arbeitet als Leiter zahlreicher Workshops für Kinder und Erwachsene. Über die Möglichkeit, zusammen mit der Intendantin Nadja Räss die Ausstellung "Klingender Alltag" in der Klangschmiede in Alt St. Johann einzurichten, hat er sich ganz besonders gefreut. www.klanglabor.li
www.klangwelt.ch